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Sommerlektüre: Denken, Führen, Selbststeuerung

By 17. August 2015Forschung, Literatur

Der Sommer ist vorbei und die Ferienlektüre gelesen.

Dan Ariely:
Denken hilft zwar, nützt aber nichts
Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen.

Der Mensch handelt unvernünftig und die Vernunft ist eine Illusion, sagt der Verhaltensökonom Dan Ariely. In seinem Buch beschreibt er, wie wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen. Es führt uns direkt zur Logik der eigenen Unvernunft. Weshalb wir uns trotz besserem Wissen von Werbung zum Kauf unnötiger Zeitungsabos verleiten lassen, weshalb Geld uns dazu veranlasst uns weniger wie soziale Wesen zu verhalten und warum Wahlmöglichkeiten uns von unseren Zielen ablenken.

Ariely sagt: «Menschen verhalten sich nicht nur irrational, sondern auch vorhersehbar irrational».

Arielys Beispiele sind aus dem Leben gegriffen und lehrreich für vielzählige Lebenssituationen. Für Führungskräfte, wenn es um Anreizsysteme im Unternehmen geht, für ehreamtlich Arbeitende, wenn es um die Anerkennung unbezahlter Arbeit geht oder für uns selbst, wenn es darum geht das eigene Unvermögen zu verstehen.

Für alle, die das Buch nicht lesen wollen, reicht vielleicht das Video «Did you spot the Gorilla?».
Ihre Aufgabe ist: Zählen Sie bei einem Basketball-Match die Anzahl der Pässe des weissen Teams. Beim aufmerksamen Zählen (starke Fokussierung) passiert etwas, das Sie nicht bemerken werden: Ein grosser schwarzer Gorilla läuft durch das Bild. Unser Auge täuscht uns. Und wenn uns dieses Organ täuscht, wie wollen wir uns darauf verlassen, dass wir in anderen Situationen zuverlässige Entscheide treffen?

Arielys Fazit, aus jahrelanger Forschung, ist: Die klassische Wissenschaft folgt der Logik, dass der Prozess «These > Antithese > Synthese» zu einem rationalen und damit richtigen Ergebnis führt. Für den menschlichen Alltag gilt dies jedoch nicht. Hier handeln wir seiner Meinung nach «vorhersehbar irrational». Das Schöne an diesem Buch, es deckt die Mechanismen unseres vorhersehbar irrationalen Verhaltens auf. Erschreckend ist, dass wir daraus scheinbar nicht lernen, sondern geradezu dumm immer wieder in die gleichen Entscheidungsfallen tappen.

 

Joachim Bauer
Selbststeuerung. Die Wiederentdeckung des freien Willens.

Die Sache mit dem freien Willen. Darüber streiten sich Philosophen, Neurobiologen und Psychologen von Rang und Namen. Das Buch von Joachim Bauer gibt hierzu Denkanstösse und seine Meinung wieder. Wir nehmen davon mit: Wir haben einen freien Willen, denn wir haben Wahlmöglichkeiten. Diese gilt es für manche von uns jedoch erst bewusst (wieder-)zuentdecken.

Genau hier macht Bauer zu Beginn seines Buches folgende Feststellungen: «Viel häufiger als uns bewusst ist, folgt unser Verhalten im Alltag nicht dem wofür wir mit unserer Identität tatsächlich stehen … also dem, was wir wirklich gerne tun würden oder für richtig halten. Stattdessen leben wir weitgehend in Routine. Unser Verhalten folgt grösstenteils dem Druck der Anpassung an das, was andere tun, oder den Automatismen zwischen Reiz und Reaktion.» Später folgt die Aussage: «Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung werden uns nicht nur genommen, wir nehmen sie uns auch selbst.»

Die NZZ veröffentlichte ein Interview von Bauer unter dem Titel «Und der Wille ist doch frei». Auf die Frage «Was sind die Voraussetzungen, um einen freien Willen entfalten zu können?» antwortete Bauer wie folgt: «Einen freien Willen zu besitzen, bedeutet nicht, dass wir aus der Realität aussteigen können. Unser Leben spielt sich innerhalb eines Korridors ab, der durch innere und äussere Gegebenheiten, vor allem aber durch biologische und soziale Bedingungen begrenzt ist. Innerhalb dieses Korridors können gesunde Menschen in einer gegebenen Situation jedoch innehalten und antizipieren, was die Folgen der jetzt zur Wahl stehenden Handlungsmöglichkeiten sind, und dann entsprechend Entscheidungen treffen.»

Unser erstes Fazit: Selbststeuerung zu erlangen heisst, die eigenen Freiheitsgrade im Leben zu erkennen und zu erhöhen. Und vielleicht nicht nur die eigenen, sondern auch jene unserer Mitmenschen. Hier wären wir wieder bei George Kohlriesers Feststellung, dass wir manchmal nicht nur uns selbst in Geiselhaft nehmen, sondern auch andere mit uns.

Für an Entwicklungspsychologie und Neurobiologie im heutigen Gesellschaftskonext interessierten Leser_innen ist dieses Buch eine spannende und zu lebhaften Diskussionen anregende Lektüre. Die in fast allen Kapiteln angebrachte Gesellschaftskritik hätte uns jedoch durchaus in kürzerer bzw. in zusammengefasster Form ausgereicht.

 

George Kohlrieser, Susan Goldsworthy, Duncan Coombe
Fördern und Fordern. Effektive Führung mit sicherer Basis.

Das Buch von Kohlrieser, Goldsworthy, Coombe schliesst an Kohlriesers Buch «Gefangen am runden Tisch». Bereits hier führte er den Bonding-Kreislauf und viele andere Metaphern ein. Für jene, die dieses Buch gelesen haben, folgt hiermit also die Fortsetzung. Für den schnellen Business Leser  hätte das Buch jedoch durchaus noch etwas kompakter sein können. Andererseits werden sich einige Leser in den von den Autoren wiedergegebenen Geschichten durchaus wiedererkennen.

Das Buch lesenswert machen das Konzept der «sicheren Basis» und die verständlichen Hintergründe. Sie sind praxiserprobt und wissenschaftlich bewiesen. Viele Beispiele, Reflexionsfragen nehmen die Lesenden auf einen persönlichen Entwicklungsweg mit. Dies und die vielen Tipps machen die Umsetzung des Konzepts «Führen mit sicherer Basis» im Alltag jedoch leicht.