«An sich ist kein Ding weder gut noch schlecht, das Denken macht es erst dazu.»
William Shakespeare
Manchmal ist ein Glas weder halbleer noch halbvoll.
Es ist vielmehr zu gross oder zu klein. Oder, das falsche Glas. Ihre Mitarbeitenden sehen das unter Umständen nicht so präzise. Sie sind fokussiert auf problematisch empfundene Ereignisse, Gedanken und Verhaltensweisen. Ihre Aufgabe als Führungskraft: Lösungen zu finden und herausfordernde Situationen in geeignete Bahnen lenken. Umdeutung, auch Reframing genannt, ist hierfür vielleicht ein hilfreiches Werkzeug für das Entwickeln anderer Sicht- und Handlungsweisen .
«Selbstbeschiss» oder Denkblokaden auflösen
Kritische Stimmen, die das Umdeuten als schönredenden «Selbstbeschiss» sehen, sollen hier nicht verschwiegen werden. Mit dieser Kritik wird Umdeuten jedoch missverstanden. Beim Umdeuten geht es nicht darum Unangenehmes beiseite zu drängen und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Vielmehr geht es darum Denkblockaden aufzulösen und neue Lösungsräume zu öffnen.
Bedeutungen, Kontexte und Inhalte umdeuten – Eine Einladung zum Entwickeln anderer Sichtweisen
Bedeutungen zu einem Sachverhalt oder Ereignis ergeben sich immer durch bestimmte Kontexte einer Situation. Also durch Wahrnehmungen und Bewertungen, entstanden aus Erfahrungen im Moment und aus der Vergangenheit. Ein gutes Umdeuten ermöglicht eine «Neubewertung» dieser Situationen. Umdeuten entlastet. Das Ziel: Mitarbeitende darin zu unterstützen alternative Erklärungen, Bewertungen und Handlungsweisen zu entwickeln.
Umdeuten kann in drei Formen stattfinden:
1. Bedeutungen umdeuten / Dem Problem einen anderen Sinn geben.
Beispiel 1 – Klagender Mitarbeiter «Ich bügle ständig die Fehler meiner Teamkollegin aus.»
Umdeutungsmöglichkeit:
«Sie sind erfahren und arbeiten zuverlässig und kompetent. So sehen sie Fehler einfach klarer.»
«Ihre Teamkollegin weiss, dass sie sich auf sie verlassen kann. Wie können sie es schaffen, dass sie lernt ihre Fehler schneller zu sehen und selbst zu beheben?»
Beispiel 2 – Klagende Teamleiterin «Frau Meier hat schon wieder Streit mit zwei anderen Frauen im Team.»
Umdeutungsmöglichkeit:
«Frau Meier steht offenbar sehr intensiv im Kontakt mit diesen beiden Frauen und kann klar Stellung beziehen.»
«Sie wird vielleicht in ihren berechtigten Anliegen von den Teamkolleginnen ignoriert und bezieht daher so klar Stellung.»
2. Kontexte umdeuten / Einen Kontext finden, in dem das problematische Verhalten sinnvoll sein könnte.
Beispiel 1 – Klagender Mitarbeiter «Ich bügle ständig die Fehler meiner Teamkollegin aus.»
Umdeutungsmöglichkeit:
«Sie besitzen besondere Kompetenzen. Ihre Erfahrungen geben Ihnen beim nächsten Veränderungsprojekt Chancen diese noch mehr einzusetzen .»
«Wie schaffen Sie es ihre ausserordentlichen Leistungen sichtbarer zu machen und gleichzeitig ihrer Teamkollegin nicht alle Verantwortung abzunehmen?»
Beispiel 2 – Klagende Teamleiterin «Frau Meier hat schon wieder Streit mit zwei anderen Frauen im Team.»
Umdeutungsmöglichkeit:
«Wenn Frau Meier klar Stellung bezieht und sie als Vorgesetzte damit wissen worum es genau geht, dann können sie den Konflikt der drei Mitarbeiterinnen gut moderieren.»
3. Inhalte umdeuten – Das Problem und die dahinterliegende Absicht voneinander trennen
Beispiel 1 – Klagender Mitarbeiter «Ich bügle ständig die Fehler meiner Teamkollegin aus.»
Umdeutungsmöglichkeit:
«Sie sind dieser Kollegen sehr wohlgesinnt, dass sie ihr immer wieder helfen.»
«Was würden sie denn von ihr erwarten? Und wie können sie ihr das gut mitteilen?»
Beispiel 2 – Klagende Teamleiterin «Frau Meier hat schon wieder Streit mit zwei anderen Frauen im Team.»:
Umdeutungsmöglichkeit:
«Frau Meier zeigt ihren Arbeitskolleginnen vielleicht klarer auf als andere, dass sie Grenzen hat.»
«Welche Wege sehen sie, wie Frau Meier dies anders mitteilen könnte?»
Fazit
Umdeuten ist ein Sprach- und Kommunikationswerkzeug, das einen Unterschied zu einer wahrgenommenen Wirklichkeit herstellt. Sorgfältiges Umdeuten stört diese Wirklichkeit und regt zum Nachdenken an. Es geht darum von der bisherigen Sicht auf die Dinge zu einer weiteren Sicht auf die (gleichen) Dinge zu gelangen. Die Erkenntnis daraus: Gesprächspartner erleben, dass die Situationen dann eben doch nicht so rigide und festgefahren sind. Das Resulat: Bewegung statt Blockade.