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Artikelserie «Ausgebrannte Teams – Geschichten aus der digitalen Brandzone» / 1. Es brennt in Etappen

By 16. Oktober 2020Dezember 3rd, 2020Aus der Praxis, Meinungen

Das Thema Gemeinschafts-Burnout ist bereits seit den Siebzigerjahren bekannt und galt lange als exklusives Phänomen «helfender» Berufe. Das Ausbrennen kann jedoch jedes Team treffen. Ganz besonders Teams mit hohem Leistungsanspruch und/oder überhöhten Leistungszielen.

Drei einfache Hauptursachen für das Ausbrennen

Die Forschung spricht heute von drei Hauptursachen:
1. Innerer Druck: Arbeiten und helfen.
2. Wahrgenommener Druck von aussen: Geben müssen.
3. Empfundener Druck durch Vorgesetzte: Noch mehr zu geben müssen.

Das Ausbrennen in Teams erfolgt, wie bei Einzelpersonen, schleichend und in Etappen. Die Wissenschaftlerin Andrea Sanz beschreibt das Burnout als Folge des Ungleichgewichts zwischen Ressourcen und Beanspruchung. Heutzutage kommen in unserer digital beschleunigten Welt «der ständige Kampf um Überlegenheit, Reputation und wirtschaftliche Sicherheit» hinzu.

Das Mass aller Dinge in der heutigen Arbeitswelt sind dabei das Engagement und der daraus resultierende Erfolg. Das Handlungsmuster ist: Maximierung auf dem Weg zum Erfolg, selbst dann, wenn die Ziele nicht mehr klar sind und die Energie für das Leisten fast geschwunden ist. Getreu dem Zitat von Mark Twain: «Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.»

So arbeiten sich Teams in vielfältigen Varianten an Hürden und Widrigkeiten ab. Bleibt der Erfolg aus, hat «man es halt eben nicht fest genug versucht, sich nicht ausreichend engagiert, nicht das Beste gegeben, oder Dritte werden verantwortlich gemacht». In solchen Situationen fixieren sich Teams und Vorgesetzte oft auch auf eine «erste erschöpfte Person im Team».
In Tat und Wahrheit vermeiden Teams und Führungskräfte damit das Gespräch zu Lösungen von Konflikten um unklare Ziele, Leistungskriterien, Arbeitsbedingungen und andere Kontexte. Genau an dieser Stelle beginnt dann das Abdriften in das gemeinschaftliche Ausbrennen.

Acht Etappen des Ausbrennens

Enthusiasmus

Der Ideenreichtum und die Motivation kennen kein Grenzen. Die Ansprüche sind sehr hoch. Hohe Geschwindigkeit, Hyperaktivität und Aktionismus prägen die Arbeit, ebenso wie Selbstüberschätzung und Überverpflichtung.

Überforderung

Das Tempo steigt weiter. Alle engagieren sich noch mehr. Die Gruppe wird getrieben und stimmt sich nicht mehr richtig ab. Grundsatzdiskussionen werden geführt, Einzelne tun noch «mehr». Überforderung wird voreinander verschwiegen, Überstunden häufen sich an, Konflikte werden vermieden, Regelverstösse zur Normalität.

Schuldsuche

Es herrscht eine nervöse angespannte Stimmung. Nach Innen finden Gegenstimmen, Mahner*innen wenig Gehör. Das Team solidarisiert sich über Schuldzuweisungen nach aussen. Besondere Merkmale sind auch: Ratlosigkeit, Festbeissen an Äusserlichkeiten. Termine werden abgesagt oder geschoben, ein erster Leistungsabfall ist sichtbar.

Angestrengtheit

Das Engagement gegenüber Kunden lässt nach. Zynismus und die kollektive Entwertung machen sich schleichend breit. Sichtbar wird auch ein beginnender Beziehungsburnout in der Arbeit mit den Kund*innen. Nörgeln setzt ein, höhere Reizbarkeit, einzelne Burnout Diagnosen bei Teammitgliedern. Beginnende Abkapselung in der weiteren grösseren Gemeinschaft. Der Blickwinkel des Teams wird enger.

Misserfolg

Qualität stimmt nicht mehr. Fehler passieren. Irgendwer ist schuld: Es beginnt die Suche nach Sündenböcken, der Ausschluss von Personen, feine Anzeichen von mobbingähnlichem Verhalten. Sichtbar ist auch eine Flucht vor der Verantwortung. Eine «Selbstreparatur» aus eigenen Kräften ist kaum mehr möglich.

Hilflosigkeit

Teammitglieder verharren in der inneren Kündigung und die Qualität sinkt weiter. Der desolate Zustand des Teams wird nun auffällig. Es folgt der Verlust der Kreativität und Bestehendes wird einfach nur repliziert. Die Problemlösungskompetenz des Teams reduziert sich weiter. Kunden beschweren sich nun offensichtlich.

Erschöpfung

Jegliche Anstrengung wird vermieden. Die Arbeit erfolgt nach Vorschrift, keine*r verlässt die eigene Komfortzone. Bisweilen offen gezeigte Wut und Aggression beziehungsweise passiv-aggressives Verhalten. Es kommt zu ersten Kündigungen und Krankschreibungen.

Burn-out

Das Team trauert über den Verlust dessen was das Team darstellt. In dieser Phase folgt ein lähmender Abschied vom Team und ein Rückzug in andere Gebiete. In grossen Organisationen wird das Team aufgelöst oder reorganisiert. In kleinen Organisationen wie z.B. Agenturen zerfällt es durch Kündigung.

Die Ausbrenngeschichte aus der digitalen Brandzone setzt sich fort

Zwischenzeitlich bewegt sich das kreative Digitalteam in sanftem Tempo Richtung Erschöpfung. Es passieren Fehler aufgrund von Missverständnissen, Verantwortliche schleichen sich aus der Verantwortung und sind mehrheitlich nicht anwesend, während sich jüngere Mitarbeitende selbst überlassen sind. Erfahrene Mitarbeitenden übernehmen informell die Aufgaben der Abwesenden, ohne dafür Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten. Versuche diese Situation zu klären verlaufen im Sand. Auf dem Höhepunkt der Erschöpfung kündigt ein erster Mitarbeiter und eine andere Mitarbeiterin ist immer wieder tageweise krank. In Besprechungen ist die Gesprächskultur passiv und aggressiv  zugleich und jede*r beharrt auf eigene Gebiete. Mobbingähnliches Verhalten ist nun sichtbar: Ausschluss von Informationen, offene Anschuldigungen in Teamsitzungen ohne Entschuldigung, Sache und Person werden nicht mehr getrennt, gezieltes Schweigen und Wegsehen aller.

Dürfen wir in der Krise kriseln?

Menschen dürfen in der Krise kriseln. Der richtige Umgang mit dem Kriseln in der Krise ist jedoch ein brisantes Thema. Leider sehen und erleben wir in unsere Praxis entwertende und belastende Verhaltensmuster. Diese sind beispielsweise:

Wegsehen und Schweigen
Unangemessenes Verhalten wird wahrgenommen, jedoch weder angesprochen noch geklärt. Vielmehr wird gleichzeitig zu- und weggesehen. Als Folge entsteht bei den Betroffenen Mitarbeitenden der Eindruck mit den eigenen Wahrnehmungen «alleine dazustehen». Das löst Gefühle der Nichtzugehörigkeit aus und untergräbt durchaus das Selbstwertgefühl.

Aberkennung der Wahrnehmung und manipulative Schuldzuweisung
Berühmte Sätze sind hier beispielsweise: «Deine Wahrnehmungen sind falsch, das ist dein Problem. Wenn du so denkst und es so sagst, dann wird es auch eintreten.» Hier finden zwei Dinge statt. Einerseits werden Menschen ihre Wahrnehmungen abgesprochen und andererseits wird vermittelt, dass sie selbst schuld sind (Hinweis auf die selbsterfüllende Prophezeiung). Dieses Verhalten untergräbt das Selbstwertgefühl und ist gleichzeitig manipulativ. Das Gegenüber weist damit jegliche Verantwortung zurück und entzieht sich gleichzeitig einer möglichen Lösungsfindung.

Passives und auch aggressives Verhalten in der Überforderung
In Überforderungssituationen nehmen wir zudem auch passives und aggressives Verhalten wahr. Manche Menschen können Ärger oder Frust nicht lösungsorientiert bewältigen. Sie teilen Sachverhalte dann beispielsweise mehrdeutig und auf Umwegen mit, um dem Gegenüber ein schlechtes Gewissen einzureden. In der Überforderung sind zudem unangemessene verbale Angriffe / Ausbrüche (Anschreien, Schuldzuweisungen, …) Teil der Tagesordnung. Die «Schreier*Innen wissen sehr wohl, dass ihr Verhalten unangemessen ist. Aus diversen Gründen reflektieren sie ihr Verhalten jedoch nicht oder schämen sich. So folgt auf solche Verbalangriffe selten eine aufrichtige Entschuldigung.

Annahme, Achtsamkeit und Hilfe von aussen

In der Krise braucht es Annahme und Achtsamkeit, und Hilfe von aussen. Gut durch die Krise kommt, wer die Krise als solche annimmt, sie nicht leugnet und es wagt sich Hilfe zu holen und diese auch anzunehmen.

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Wir hören Ihnen zu und beraten Sie und Ihre Teams.

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